Von
England ging's über die Biskaya nach Portugal und dann weiter südwestwärts
nach Madeira, wo wir noch einmal Proviant und Wasser bunkern wollten, bevor
es im Dezember über den Atlantik in die Karibik gehen sollte.
Aus den zwei Liedern waren nun ein Dutzend
geworden und weil wir auf Madeira sowieso noch einige Wochen warten mussten,
bis die Hurrikan-Zeit vorbei war, flogen wir für zwei Wochen in die
Schweiz zurück, wo ich die Grüeni Banane
LP produzierte. Die Firma, die auch die Peter, Sue & Marc Schallplatten
vertrieben hatte, war an einer Übernahme nicht interessiert, man gab
den Liedern keine Chance. Ich musste von Pontius zu Pilatus laufen, bis
ich eine Firma fand, die bereit war, das Dutzend Lieder zu veröffentlichen.
Die Argumentation war immer dieselbe: Es ist unmöglich eine Schallplatte
erfolgreich zu lancieren, wenn der Sänger irgendwo auf dem Meer herumgondelt
und für Auftritte und PR-Aktivitäten nicht zur Verfügung
steht. Eigentlich hatten die Leute ja schon recht, nur, ich war nicht
bereit, meine Reise zu verschieben oder gar abzubrechen, zu einem Zeitpunkt,
wo es doch gerade erst so richtig losgehen sollte.
Ein halbes Jahr später waren alle klüger, und einige haben sich die Haare gerauft. Nach einer dramatischen Überfahrt, auf der wir dem Hurrikan «Lilly« knapp entkamen, waren wir unterwegs in der Karibik und die grünen Bananen unterwegs in den Charts. Dass sie sich überhaupt verkauften und schon vergoldet werden konnten, erfuhr ich erst in Venezuela, als ich von einem kleinen Dorf aus, vor dem wir ankerten, bei der Schallplattenfirma zuhause anrief. Die Einheimischen wussten nicht wie ihnen geschah und hatten keine Ahnung, wieso der Gringo
aus der Schweiz plötzlich so spendabel
wurde und einen nach dem andern ausgab. Bald war in der Hafenkneipe
die grösste Fiesta im Gange. Ihnen war's recht.
Nun konnten Livia und ich auch unserer
Zukunft weniger besorgt entgegensehen. Anstatt heimkehren zu müssen
und in der Schweiz wieder einem Brotberuf nachzugehen, konnten wir noch
eine Weile weitersegeln. Ich würde an Bord weiterhin Lieder,
Texte und Reiseberichte schreiben, Livia würde fotografieren.
Dazu kamen die Filmberichte für das „Sonntagsmagazin“ des Schweizerfernsehens,
die wir regelmässig zuhause ablieferten.
Was mich am Fahrtensegeln so fasziniert,
ist das ganze Drum und Dran, das diese Lebensweise mit sich bringt.
Man muss sehr viel lernen: Von der Nahrungsbeschaffung über technische
Kenntnisse bis hin zu einer intensiven
Auseinandersetzung mit Wind und Wetter.
Ziel des Fahrtenseglers wäre es, möglichst autark zu sein, sich
in jeder Situation selbst helfen zu können, weil eben meistens keine
Hilfe da ist. Das Leben an Bord wird dadurch viel ganzheitlicher.
Die Sehnsucht nach einem solchen Leben schlummert immer noch in uns.
Wir waren ja alle mal Jäger und Sammler und zogen durch die Lande.
Selbstversorgern wird die Welt begreifbarer, weil sie im Zusammenhang erlebt
wird, in ihrer ganzen Schönheit, aber auch in ihrer ganzen Grausamkeit.
Wer je einen schweren Sturm überlebt
hat, weiss, was dieses leider aus der Mode gekommene Wort "Demut»
bedeutet. Er weiss aber auch, was ein einzelner Mensch mit Beharrlichkeit
und Umsicht ausrichten kann und weiche Kraft in ihm selber steckt.
Er hört auf, seine Fehlschläge andern Menschen oder gar der ganzen
Gesellschaft zuzuschieben.
Er nimmt sich selbst an der Nase und wird eigenverantwortlich. Er
darf sich aber auch selbst auf die Schultern klopfen und einen Nussgipfel
essen, wenn ihm etwas besonders gut gelingt.
An Bord, auf der Ruderwache, hat Aman viel
Zeit über Gott und die Welt zu sinnieren. Viele meiner Lieder
sind so entstanden:
Gäbs es nid, Dr Blues zum
Fänschter us, Stürmischi Zyte, Buebe tüe nid briegge, Gsehsch
dert d Stärne.
Zu letzterem möchte ich doch noch
eine kleine Geschichte erzählen:
Immer, wenn ich für Aufnahmen aus
dem feuchtheissen Tropenklima in die Schweiz zurückkehrte, war ich
spätestens nach einer Woche gründlich erkältet.
Nicht gerade optimale Voraussetzungen für das Besingen einer Schallplatte. An jenem Morgen, als ich Gsehsch dert d Stärne hätte singen sollen, war meine Stimme so zu, dass ich die höheren Töne nicht mehr singen konnte. Dafür klang sie um so bassiger. Der Tonmeister schlug vor, aus der Not eine Tugend zu machen und den Text doch einfach nur zu sprechen. Das habe ich dann auch getan und wie! Ich gebe es zu, auf die Gefahr hin, einige Fans zu enttäuschen: Ich habe zwar einen rechten Bass, aber so schön tief klingt meine Stimme normalerweise dann doch nicht.
Oft werde ich gefragt, ob die Personen in meinen Liedern reine Fiktion sind, oder ob es eine Tante Trudi, einen Beni, oder eine Mona Lisa in Wirklichkeit gibt. Ähnlichkeiten mit existierenden Personen, wie es häufig an Filmenden steht, sind bei mir nicht rein zufälliger Natur. Einige Personen gibt es, genau so, wie ich sie im Lied beschrieben habe. Andere wiederum sind eine Verschmelzung. Die Männer-fressende Tante Trudi z.B. ist eine Kombination von zwei Frauen, die ich kannte. Die eine, die ihrem viel kleineren Mann stets auf die Pelle rückte und die andere, eine Motorrad-verrückte Dame, die vor keiner fahrerischen Untat zurückschreckte. Ich habe mir meine Personen und Stories nie aus den Fingern saugen müssen. Man braucht sich nur umzuschauen oder hinzuhören.
Das Leben schreibt die schönsten Geschichten.
Im November 1986, als wir immer noch in
der Karibik unterwegs waren, wurde Simon geboren. Fast gleichzeitig,
auf zwei andern Fahrtenschiffen, mit denen wir Kontakt hatten und die auch
durch die Karibik segelten, kamen Buben zur Welt: Gianni und Samuel.
Das musste mit einem Lied gefeiert werden: Fasch
win es Gebät.
Dass Kinder ein unerschöpfliches
Thema sind und Anstoss für viele weitere Lieder waren und immer noch
sind, ist jedem verständlich, der selbst Kinder hat. Fest
im Griff, I jedem Chind, Nina und Ds Hippigspängschtli
sind
nur ein paar davon.
Weil sich meine Kinder im Dunkeln immer
fürchteten und überall böse Gespenster sahen, schrieb ich
ihnen das Lied vom kleinen Gespenstchen, bei dem immer alles schief läuft,
Das Resultat war verblüffend: Die Angst war wie verflogen. Aber
Gespenster sehen sie nun mehr denn je, Was als Familienjux und Gutenacht-Liedchen
begonnen hatte, endete zufälligerweise - weil noch ein Lied fehlte
- auf einer CD und wird mittlerweile in fast jedem Kindergarten gesungen,
aufgeführt und getanzt. Das von Oskar Weiss liebevoll und pfiffig
illustrierte, gleichnamige Kinderbuch ist schon fast ein Klassiker geworden.
Weil sich meine Kinder im Dunkeln immer fürchteten und überall böse Gespenster sahen, schrieb ich ihnen das Lied vom kleinen Gespenstchen, bei dem immer alles schief läuft, Das Resultat war verblüffend: Die Angst war wie verflogen. Aber Gespenster sehen sie nun mehr denn je, Was als Familienjux und Gutenacht-Liedchen begonnen hatte, endete zufälligerweise - weil noch ein Lied fehlte - auf einer CD und wird mittlerweile in fast jedem Kindergarten gesungen, aufgeführt und getanzt. Das von Oskar Weiss liebevoll und pfiffig illustrierte, gleichnamige Kinderbuch ist schon fast ein Klassiker geworden.
In den drei Jahren in der Karibik entstanden
zwei weitere Alben: Jede bruucht sy Insel
und Dr Sunne entgäge. Auf meinem
E-Piano, das im Kartentisch untergebracht war und das ich mit den Schiffsbatterien
betrieb, entstand ein Lied nach dem andern und unter Segel hatte ich viel
Zeit an den Texten herumzubasteln.
Mal stand zuerst die Melodie und mal zuerst
eine Textzeile. Ich arbeite nach keinem festen Muster. Eben
so, wie es grad kommt. Die Ränder der Seekarten und auch die
kleine Agatha Christie Krimi-Sammlung für die Ruderwache ist voligekritzelt
mit Ideen. Zur Not, wenn nichts anderes zur Verfügung steht
und damit ich eine Zeile nicht vergesse, schreibe ich meine Lieder auch
auf Trambillette. Früher hatten die wenigstens noch eine vernünftige
Grösse. Heute hat kaum mehr eine Zeile darauf Platz,
Livia war und ist der Auslöser, oder
etwas poetischer ausgedruckt, die Inspiration vieler meiner Lieder.
Ich habe immer wieder gestaunt, dass sie es so lange mit mir auf so engem
Raum ausgehalten hat. Das ist ja nicht ganz einfach auf einem Kahn.
Wenn ein Problem ansteht, kann man nicht einfach weglaufen und die Türe
zuschlagen. Die Haie würden sich freuen.
Die maximale Distanz, die wir uns unterwegs
voneinander entfernen konnten, waren auf unserer "Cindy" gerade mal fünfzehn
Meter. Nein, das Schiff war nicht so lang, aber der Mast so hoch!
Ich musste selten hochklettern und wenn ich es tat, dann vor allem, um
aus dem Top zu filmen oder nach Thunfischen Ausschau zu halten,
Näb de Schueh, wäge dir und
Mängisch Meitschi sind Lieder, die Danke sagen möchten, dass
ich in all den Jahren nicht verloren und allein an meinem Schicksal stricken
musste.
Jeden Tag Sonnenschein, jeden Tag blauer
Himmel, wer hält das schon aus! Auf die Dauer beginnt man die
Jahreszeiten zu vermissen und möchte wieder einmal Eis und Schnee
sehen.
Eines morgens beim Frühstück,
ich glaube es war in Puerto Rico, beschlossen wir, nach Alaska zu segeln.
Weil in Panama gerade der Teufel los war, verfrachteten wir unsere «Cindy»
huckepack auf einem Laster an die Pazifikküste. In einem kleinen
Motorhome fuhr ich manchmal voraus, um das Schiff auf seinem ungewöhnlichen
Törn zu filmen.
Wir waren gerade tagelang quer durch Texas
unterwegs, als ich auf einer Autobahnüberführung auf unsere «Cindy,
wartete, die demnächst unten vorbeirauschen sollte. Plötzlich
hielten auf beiden Seiten der Uberführung Streifenwagen. Die
Polizisten sprangen aus den Wagen und stürmten mit gezückten
Pistolen auf mich los. „Wer sind sie? Wo sind sie her? Was
machen sie hier ?“ zischte der Sheriff wie im Krimi. „Ich bin Peter Reber
aus der Schweiz und warte auf's Schiff“. Klingt ein bisschen ungeschickt,
mitten in der texanischen Einöde. Den Typen fiel ab so viel
Stuss der Kiefer runter, und wenn nicht in diesem Moment unsere «Cindy»
unten durchgerauscht wäre und ich mit beiden Händen beschwörend
auf sie hätte zeigen können, ich glaube, ich würde noch
heute irgendwo in Texas schmoren. Was war geschehen?
Ich hatte mein Fahrzeug, ohne es zu wissen,
ganz in der Nähe eines Hochsicherheitsgefängnisses parkiert,
in dem gerade wieder mal Ausbruchsgerüchte kursierten. Ein Wächter
hatte mich auf der Überführung beobachtet, wie ich mit meinem
Feldstecher die Gegend absuchte (ich hielt natürlich nur Ausschau
nach unserem Schiff ) und auch schon das mögliche Fluchtfahrzeug in
Form des Motorhomes geortet. Er griff zum Telefon und benachrichtigte
die Polizei, und die Sheriffs liessen sich nicht lumpen.
Den ganzen Sommer 1987 verbrachten wir
in Süd-Ost Alaska und beobachteten die Buckelwale in ihrem Sommerrevier
rund um die Glacier-Bay. Auf der einen Seite blaue Gletscher, die
ihre kristallene Fracht ins Meer entladen, auf der andern Seite die fünfzig
Tonnen schweren sanften Riesen, die anmutig durch das milchig-weisse Gletschervvasser
zogen, immer auf der Suche nach Krill, dem kleinen Krebs, der sich im planktonreichen
Wasser so gut vermehrt. Dass die Buckelwale selbst auch Sänger
sind, davon erzählt Di sanfte Riise. Besonders zur Paarungszeit,
aber auch unterwegs, kommunizieren diese Tiere mit Geklapper und trompetenartigen
Stössen über weiteste Distanzen.
Wir sind ihnen und ihrer Musik auf unseren
Fahrten immer wieder begegnet. Ob die Sirenen, die Odysseus einst
hörte, nicht vielleicht doch liebestolle Buckelwale waren?
Im Herbst erreichten wir wieder die Vereinigten
Staaten und in Friday Harbor, kurz nach der kanadischen Grenze, legte ich
mit unserer „Cindy" ein letztes Mal an. Sie lag nun an der Pier eines
Schiffsmaklers, der sie verkaufen sollte. 30'000 Seemeilen hatte sie uns
sicher durch Stürme und Klippen an ferne Ufer getragen, «vo
sunnige Stränd, bis zum ewigen Ys», wie es im Lied Bhüet
di wohl, chlyses Schiff heisst. Während sieben Jahren war sie
unser Heim gewesen. Es war nicht leicht, sie zu verkaufen und Abschied
zu nehmen. Aber nachdem Simon begonnen hatte, den Mast hochzuklettern,
um nach Spielkameraden Ausschau zu halten, war uns klar, dass wir wieder
sesshaft werden wollten.
Dass wir noch eine Galgenfrist hatten,
um noch etwas mehr von der Welt zu sehen, bis Simon zur Schule musste,
das stimmte uns schon heiterer. Schon bald fanden wir unser neues
Zuhause auf den Bahamas. Dieses Paradies von 700 Insel ist ein selbständiger
Staat und eine gut funktionierende Demokratie. Erschlossen genug,
um alle Annehmlichkeiten der Zivilisation geniessen zu können, falls
man dies will, aber doch noch so urwüchsig, dass man abseits der ausgetrampelten
Touristenpfade Eigenständiges entdecken kann. Vor allem auf
den Ausseninseln.
Natürlich faszinierte mich als Musiker die Steeldrum, das ausrangierte Ölfass, das mit dem Hammer bearbeitet, zum Musikinstrument wird. Gibt es eine schönere Form von Recycling? Schon bald machte ich mit Stanley Bekanntschaft, der für Touristen Mini-Steeldrums herstellt und sie auf dem Markt verkauft. Er baut aber auch die richtigen, grossen Steeldrums, die viel handwerkliches Geschick erfordern und sehr viel Arbeit geben.
Mit Stanley einen Deal auszuhandeln war
gar nicht so einfach, denn er stottert furchtbar stark und braucht viel
Zeit, wenn er einem etwas sagen will. Nach einem guten Vorschuss
machte er sich ans Werk. In der Abfalldeponie suchten wir eine Tonne
und dann schlug Stanley tagelang mit einem runden Hammer auf dem Fass herum,
bis der Deckel etwa auf die doppelte Fläche ausgetrieben war.
Der Lärm bei dieser Prozedur ist immens, aber seine Nachbarn scheint
das nicht zu stören, obwohl Stanley mitten im Dorf wohnt. Nach vierzehn
Tagen konnte ich «meine» Steeldrum mit nach Hause nehmen, frisch
gestimmt, bemalt und von Stanley selbst, dem grossen Meister im Steeldrum-Spielen,
mit einer Solodarbietung eingeweiht. Wie staunte ich! Er fetzte
los und hob an zu singen. Oh Schreck, dachte ich! Aber keine
Spur von Stottern. Er sang fliessend und wunderschön.
Die Musik verleiht seiner Zunge jene Leichtigkeit, die sie beim Sprechen
nicht finden kann. Und diese Leichtigkeit spüre ich auch immer,
wenn ich irgendwo eine Steeldrum spielen höre. Ich denke dann
an Stanley. Auf meinem letzten Album, I wünsche
dir, das ich ganz auf den Bahamas aufgenommen habe, ist die Steeldrum
öfters im Einsatz, ob nun bei Bahama-mama
oder Ueli spring. Auch bei einigen Instrumentaltiteln,
beim Kokos-Kari und beim Ananas-Anneli
habe ich diese «Glocken der Karibik» verwendet.
Nach 14 Jahren Wanderschaft auf diesem
blauen, schönen Planeten kehrte ich mit meiner Familie im Sommer 1995
in die Schweiz zurück. Für einige Jahre würde nun
die Ausbildung der Kinder im Zentrum stehen. Zu zweit waren wir losgezogen,
zu viert kamen wir nach Hause. Reich an Erfahrungen und Erinnerungen
und mit dem Wissen, dass man „die lnsel“ nur in sich selbst finden kann.
Nirgendwo sonst.